Kann ich das schaffen?
„Bitte sei ehrlich zu mir! Denkst Du ich kann das wirklich schaffen?“ Mein Bruder Felix schaut mich nach seiner Frage ganz ernst an. Ich sitze auf dem Beifahrersitz. Er sitzt am Steuer. Wir haben unsere Rennräder am Kofferraum seines Wagens befestigt und das Auto voller Sportsachen, Radequipement und Sportnahrung. Wir sind auf dem Weg nach Zofingen. Vor einigen Wochen haben wir uns für den Powerman Zofingen angemeldet. 10 Kilometer Laufen. 150 Kilometer Radfahren. 30 km Laufen. Alles in einem Wettkampf mit vielen Höhenmetern. Langdistanz-Duathlon nennen sie es. In diesem Jahr ist es gleichzeitig die ITU Weltmeisterschaft. Keiner von uns hat Erfahrung mit solchen Umfängen oder Höhenprofilen. Wir sind blutige Anfänger und schlecht vorbereitet. Das ahnen wir. Wir zweifeln an unserem Entschluss.
„Ja! Wenn Du ganz entspannt und ruhig herangehst. Sieh es als sehr, sehr lange Trainingseinheit!“ höre ich mich auf die Frage von Felix antworten. Ich bin überzeugt von dem was ich ihm rate. Nur kann ich meinem eigenen Rat nicht folgen, wie sich später herausstellen wird.
Was machen wir eigentlich hier?
Die Anreise am Vortag des Wettkampfes verläuft reibungslos. Auf den Straßen des Ortes sind schon zahlreiche Athleten auf teuren Zeitfahrrädern unterwegs. Nach dem Einchecken im Hotel machen wir uns sofort auf den Weg zur Wettkampfbesprechung. Braungebrannte, drahtige, bunte Gestalten überall. Bei nicht Wenigen ist die legendäre rote Ironman-Tätowierung sichtbar. Ich fühle mich ein wenig fehl am Platze. Dieses Gefühl bekämpfe ich gewöhnlich mit Selbstironie.
Die Wettkampfbesprechung findet in einem großen Saal mit Beamer statt. Auf der Bühne erklärt ein Kampfrichter der ITU den Athleten Wissenswertes bezüglich der Strecke und dem Regelwerk. Umso mehr ich hier höre, desto flauer wird mir der Magen. Als es um die erste Laufstrecke über 10 km geht, meint der Einweiser „Dazu brauch ich ja nicht viel zu sagen. Die kennt ihr ja alle“. Felix und ich, wir schauen uns an und grinsen: „Genau erzähl‘ uns etwas das wir noch nicht wissen“ murmele ich und wir feiern uns. Im Laufe der Veranstaltung werden zahlreiche Details „enthüllt“ und Profiathleten stellen Fragen, über die ich nicht im Traum nachgedacht hätte. Die Selbstironie und unser Grinsen wachsen: „Wir zwei Blinden! Was machen wir eigentlich hier?“
Nach der Wettkampfbesprechung geht es ab ins Hotel. Im Fahrradkeller lagern schon mehrere Tausend Euro Radmaterial. Die Laufräder mancher Rennvelos sind mehr wert als unsere beiden „Esel“ in Summe. Wieder ist da das Gefühl, dass wir irgendwie nicht richtig wissen was wir hier tun. Aber mir kommt immer wieder der Gedanke: „Egal, das schaffe ich! Ich muss das schaffen!“. Wir staunen und präparieren unsere Räder: Luftdruck, Gel, Riegel. Dann gibt es zum Abendessen einen Schweizer Döner. Die Lehrmeinungen darüber, ob das als Wettkampfvorbereitung optimal ist, sind gespalten.
In unserem Hotel sind außer uns auch noch US-amerikanische Athleten untergebracht. Einige von Ihnen hätten vom Körperbau her durchaus an der Seite von Russel Crow im Film Gladiator mitspielen können. Alle sind sie braungebrannt und tragen Nationalmannschaftskleidung. Das löst bei uns wieder dieses Gefühl aus. Aber auch wieder das Grinsen. Die US-Boys und deren Begleiter finden es – im Gegensatz zu uns – gar nicht witzig, dass im Hotelgebäude am Vorabend der Duathlon Weltmeisterschaft ein Heavy-Metal-Konzert stattfindet. Während wir uns mit einem Bier zu den „Metallern“ gesellen, laufen sie wild gestikulierend und kopfschüttelnd umher und machen „Beweisfotos“. Wir finden es lustig!
Am Morgen des Rennens machen wir uns auf den fünfminütigen Weg zur Wechselzone. Bike-Checkin, Wechselplatz finden und herrichten. Da für den Tagesverlauf Regen angekündigt ist, verstaue ich meine Radschuhe in einer Plastiktüte. Dann begeben wir uns in ein Dixiehäuschen und dann in Richtung Start. Viele der Athleten wärmen sich unterdessen in Form von Lauf-ABC und Steigerungsläufen für die nächsten Stunden auf. Ich muss wieder grinsen und verschwinde noch ein letztes Mal im „Dixieland“.
Bring mich um, oder mach mich härter!
10 km, erster Lauf – Fortissimo statt Piano
Unmittelbar vor dem Start werden die Favoriten einzeln aufgerufen und vorgestellt: Andi Sutz (SUI), Thibaut Humbert (FRA), Joerie Vansteelant (BEL), Stefan Wrzaczek (AUT) und die ganze Bande. In den hinteren Reihen bekommen wir davon nicht viel mit. Startschuss. Und rein geht es in die erste giftige Steigung, Seite an Seite mit Felix. Während ich Felix noch zurufe, dass wir die ersten 10 km doch zusammen laufen können verschwindet er langsam hinter meiner linken Schulter. Ich sollte ihn für viele Stunden nicht wiedersehn. Das Wettkampffieber hat mich gepackt. Wie immer! Fortissimo statt Piano! In dieser Phase habe ich kaum Kontrolle über mein Tempo. Ich bin ferngesteuert. Bei irgendeinem derartig langen und harten Wettkampf wird das einmal mein Verderben sein. „Irgendwann aber nicht heute“ sage ich mir jedes Mal. Es geht auf und wieder ab. Wir durchlaufen die Wechselzone und begeben uns auf eine zweite Runde. Zurück am Wechselplatz zeigt meine Uhr 42:30. Die Zeit durchdringt den Temporausch nicht. Ich bereite mich auf das Radfahren vor.
150 km, Rad – Vom Temporausch zur totalen Erschöpfung
Die Radstrecke besteht aus einer 50 km Runde mit ca. 650 Höhenmetern, die dreimal zu absolvieren ist.
Es gilt sich Einzurollen auf den ersten flachen Kilometern. Im Geiste fühle ich mich auf profilierten Strecken wohl. Aber die Erfahrung fehlt mir. Ich fahre erst seit sieben Monaten Rennrad, oder generell (wettkampforientiert) Rad. Vorher bin ich noch nie 150 km gefahren, geschweige denn ein solches Profil. Überhaupt bin ich bis dato erst dreimal mehr als hundert Kilometer gefahren. Doch auch das spielt nun alles keine Rolle. Temporausch. Die innere Stimme die zu einem moderaten Tempo mahnt, beschwichtige ich mit der These: „Ich könnte schneller fahren, da sind noch Reserven“. Davon bin ich in der ersten Runde überzeugt.
Es gibt zwei nennenswerte Berge die etwa drei Viertel der Höhenmeter umfassen und bis zu 18 % Steigung haben. Ich fahre alle Steigungen komplett (!) auf dem Aero-Aufsatz hoch. Wie dekadent und super dämlich wie sich später herausstellt. Die erste Runde schaffe ich in ziemlich genau 1:30:00. Somit steht eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 33,33 km/h zu Buche. Ausrechnen kann ich das zu diesem Zeitpunkt nicht mehr. Immer wieder strecken sich mir Kinderhände entgegen und wollen abgeklatscht werden. Aus einer Gruppe von Kindern ruft mir ein Junge zu: „Bisch Schwitzer?“ – „Deutscher“ antworte ich. „Isch a guat“ ruft er und alle feuern mich heftig an.
Auf der zweiten Runde bekomme ich wieder ein Gefühl dafür was ich in der ersten Runde so alles falsch gemacht habe. An den Bergen nehme ich jetzt Tempo raus und fahre Oberlenker. So wie meine Kräfte zur Neige gehen, schlägt auch langsam das Wetter um. Es beginnt leicht zu regnen. Obwohl der Kurs technisch wenig anspruchsvoll ist, gehe ich während der Abfahrten kein Risiko ein.
Ich lerne Gerhard kennen. Gerhard ist Deutscher und trägt einen Nationalmannschaftsanzug. Als ich auf Gerhard auffahre, äußerte er seine Freude darüber, nicht mehr alleine fahren zu müssen, da der Wind doch ziemlich zunimmt. Ja der Wind. Plötzlich spüre ich ihn auch. Wir tauschen ein paar Nettigkeiten aus und ich nehme Gerhard viele Kilometer mit. Die zweite Runde absolviere ich in 1:35:00, was einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 31,6 km/h entspricht. Der Regen nimmt zu. Gerhard hält sich ausschließlich hinter mir auf und schickt mich schließlich alleine auf die Reise. Viel Glück Gerhard. In der dritten Runde schwinden auch meine Kräfte dann zusehends und es deuten sich Krämpfe an. Beim Radfahren eine ganz neue Erfahrung für mich. Ich habe Angst vor dem Krampf in eingeklicktem Pedal, aber immer noch nicht vor der Strecke. An den steilen Kanten bleibt mir mittlerweile nur eines übrig: Im leichtesten Gang vorsichtig in die Steigung fahren und einen Rhythmus finden, dann zwei, drei Gänge hochschalten.
Mittlerweile liegt Gischt über den Straßen. Als ich mich umdrehe bemerkte ich, dass sich einige Parasiten in meinem Windschatten befinden. Sie nutzen scheinbar die Tatsache aus, dass bei den Wetterbedingungen auch die Kampfrichtermotorräder nicht mehr zu sehen sind. Die Lutscher machen mich sauer. Das gibt mir wiederum die Kraft ordentlich Druck auf die Kette zu geben. Woher die kommt ist mir auch nicht klar, denn eigentlich bin ich schon mausetot. Für die Lutscher jedenfalls reicht es.
Nach 150 km geht es allein wieder Richtung Wechselgarten. Von weitem erspähe ich die Streckenposten am Eingang der Wechselzone. Zeit genug den Garmin vom Lenker an den Arm zu klicken. Klick! Noch den Radsplit herausstoppen. Piep! Als ich danach wieder aufsehe ist es fast zu spät. Die Streckenposten fuchteln wie wild mit den Armen herum. Knapp kann ich bremsen und einen Sturz vermeiden. Ich springe vom Rad. Bis dahin geht es noch, doch das ändert sich als meine Füße den Boden erreichen. Ich sacke förmlich ein und spüre auf einen Schlag furchtbare Erschöpfung in Beinen und im Rücken. Ich taumele zum Wechselplatz und beginne mir ernsthaft Sorgen zu machen. Warum bin ich nicht langsamer gefahren… am Anfang?! Die dritte Radrunde absolviere ich in 27,8 km/h deutlich langsamer. Ich benötige dafür 1:45:00.
30 km, zweiter Lauf – Die letzte Patrone
Wie soll das jetzt gehen? 30 km mit diesem Profil. Unvorstellbar. Ich bin jetzt schon total hin. Mehr Erschöpfung kann mein Körper nicht aushalten. Dennoch tue ich so, als wolle ich es versuchen. Die Verpflegung am Wechselplatz fällt umfangreich aus, ohne Zeitdruck. Schuhe wechseln, Stirnband um und los! Man ist das schwer. Die Beine. Der Rücken. Verdammt! Nicht Denken. Laufen. Die Zuschauer jubeln. Raus aus der Wechselzone. Direkt rein in den Berg. Schonungslos. Der erste Kilometer: 5:26 min. Noch nie war es so hart. Nie waren Körper und Geist so müde: Ich fühle mich um ein Vielfaches erschöpfter als nach einem Marathon und stehe doch erst ganz am Anfang eines 30 km Crosslaufes mit 750 Höhenmetern. Die Muskulatur ist fest. Im Rücken fühlt sie sich an als hätte ich zwei Stahlkabel rechts und links der Wirbelsäule. Der Rücken und die harte Steigung drücken meinen Oberkörper Richtung Boden. Ich bin allein im Wald. Weit und breit keine Zuschauer. Es geht nicht mehr! Ich muss gehen. Für mich ist Gehen im Wettkampf bis dahin ein absolutes Tabu. Ich könnte heulen. Aber Tränen kosten Salz und Wasser. Beides kann ich nicht entbehren. Ich bin sicher, dass es vorbei ist. Aufgeben!?
Ich versuche mich zu packen, an der Ehre, am Stolz: „Du hast gestern ein wunderschönes ‚Powerman-Zofingen-Radtrikot‘ gekauft. Das kannst Du jetzt nicht wie geplant zum Radtreff auftragen. Das wirst Du öffentlich verbrennen müssen. Dann musst Du Dich schämen. Deine Freunde und Kollegen werden denken, Du bist schwach. Und Du bist schwach! Du hast es jedem erzählt der es hören wollte. Und den Anderen hast Du es auch erzählt. Powerman Zofingen, Weltmeisterschaft, Langdistanz im Duathlon, Du Bratwurst!“.
Während ich mich selbst beschimpfe gehe ich zügig weiter. Es wird besser. Ich kann langsam wieder laufen. Langsam, aber es geht. Es bleibt die riesige Herausforderung. Drei Stunden noch. Ich glaube nicht, dass es reicht, aber ich kann laufen. Hin und wieder lege ich Gehpausen ein. Damit habe ich mich arrangiert. Ich höre andere Athleten schimpfen: „Das können die doch nicht mit uns machen. Diese Strecke! Diese Steigung! Das ist ja Wahnsinn!“. Ich sehe vor mir zwei US Boys (vielleicht sogar aus unserem Hotel) in Nationalfarben an einer Steigung gehen. Denen will ich es zeigen. Ich laufe vorbei, doch es zieht und krampft. Wenige Meter vor Ihnen muss ich auch gehen. „Das ist doch Scheiße!“ sage ich laut. Sie lachen. Ich muss auch schmunzeln. Sie verstehen mich also.
Auf dem ersten Abstieg sehe ich Felix erstmals wieder. Er befindet sich auf seinen ersten Kilometern. Ich denke an meine ersten Kilometer zurück und rufe ihm zu: „Bleib dran! Es wird besser!“. Als er vorbei ist denke ich: „Junge der sieht gut aus! Viel besser als ich mich fühle! Der ist topfit! Und ich fühle mich so schlecht.“ Später wird er mir berichten, dass er sich sehr schlecht gefühlt hat und ich aus seiner Sicht fantastisch ausgesehen habe. Lustig.
Eine weitere interessante Erfahrung: Während ich an den steilen Anstiegen gehe machen die Muskeln an den Innenseiten der Oberschenkel zu. Das einzige was dagegen hilft ist Laufen. Beim Laufen wiederum streikt die hintere Oberschenkelmuskulatur. So spiele ich das Wechselspiel: Gehen/Laufen, Krampfvermeidung möglichst ohne Zeitverlust.
Mittlerweile hab ich zwei Drittel der Strecke mehr schlecht als recht hinter mich gebracht. Nun zieht sich der Himmel zu, dunkle Wolken ziehen auf – heftiger Wind. Es donnert und blitzt und beginnt wie aus Eimern zu schütten. Ich befinde mich gerade auf einer 200 bis 300 m langen völlig ungeschützten Geraden auf dem höchsten Punkt der Strecke über den Dächern von Zofingen. Plötzlich trifft es mich wie ein Schlangenbiss. Ein Krampf im hinteren Oberschenkel. Noch nie hatte ich einen so heftigen Krampf. Ich schreie laut! Ich kann meine Fußspitze nicht erreichen. Schmerzen. Während sich vorher viele Athleten hilfsbereit zeigten, will nun jeder diesen Höllenort verlassen. Niemand nimmt Notiz von mir. Wind und Regen peitschen mir ins Gesicht. Ich schreie vor Schmerzen. Ich bekomme meine Fußspitze endlich zu fassen und denke: Das kann doch nicht wahr sein, ein Krampf so heftig und kurz nach Beginn des Gewitters hier oben an der Wetterseite. Schicksal!? Ich brauche zwei Minuten um den Krampf vollständig zu lösen. Der Regen wäscht das Salz von meiner Haut. Ich kann es schmecken. Es brennt in den Augen. Ich laufe vorsichtig los. Der Oberschenkel scheint zu halten. Ich fühle mich erfrischt. Der Wind peitscht mir immer noch den Regen ins Gesicht. Ich muss schmunzeln: “Das gibt’s doch nicht! Hier oben!”. Ich schiebe das Kinn vor und bin jetzt wild entschlossen. Jetzt schaffe ich das! Ich rede mir ein: “Jemand will verhindern, dass Du das hier schaffst. Und das war seine letzte Patrone. Jetzt kann mich nichts mehr aufhalten.” Und so ist es auch. Die letzten Kilometer gehen nur noch bergab.
Auf dem Abstieg kommt mir Felix ein zweites Mal entgegen. Der arme Kerl geht in die letzte Runde. Ich versuche ihm an Motivation alles zu geben, was ich kann. Ich rufe: „Jetzt schaffst Du es auch! Das lässt Du Dir nicht mehr nehmen!“. Er sieht gut aus. Er ist ein echter Kämpfer, der schafft das, da bin ich mir sicher!
Es bleibt bis zwei, drei Kilometer vor dem Ziel eine gewisse Unsicherheit! Doch dann weißt Du es! Du schaffst es. Grinsen. Die Startnummer ist mir auf einer Seite aufgeweicht und vom Band abgerissen, so dass ich sie beim Zieleinlauf komplett löse und euphorisch hochreiße. Ein „Arbeitstag“ ist um: 8:27:37.
Ich glaube, dass ich das Gefühl, das ich nach der ganzen Quälerei, beim Erreichen des Ziels empfinde, nicht beschreiben kann. Deshalb versuche ich es auch nicht. Nur soviel: Es ist ein gutes Gefühl, sehr gut!
Ich bin gewachsen
Ich bin total glücklich. Stefan Ruf, der Organisator, begrüßt im Ziel alle persönlich mit Handschlag und hängt jedem Athleten die Medaille um. Ich wähle mein Finisher-Shirt und verpflege mich. Dann stelle ich mich wieder in den Zielbereich. Es regnet in Strömen. Die meisten Zuschauer sind deshalb fort – die Tribüne fast leer, doch ich will unbedingt dabei sein, wenn Felix ins Ziel kommt. Als er kommt strahlt er. Ich rufe dem Fotografen zu: „Mach ein Foto! Das ist mein Bruder!“. Er macht ein Foto. Felix empfängt seine Medaille und wir liegen uns in den Armen. Vor fast 10 Stunden sind wir als „Bratwürste“ aufgebrochen.
Es dauert ein paar Tage bis wir die Leistung wirklich zu schätzen lernen. Noch Wochen später, als wir uns bereits erholt haben, erklären wir uns gegenseitig: „Weißt Du eigentlich was wir da in Zofingen geschafft haben?“. Wir sind Powermen. Wir haben den „härtesten Duathlon der Welt“ geschafft wie Manche ihn nennen.
Was bringt eine solche Schinderei?
Ich möchte folgendermaßen antworten: Ein befreundeter Langdistanztriathlet hat mir während des Trainings von einer Erfahrung berichtet. Er war in einer geschäftlichen Auseinandersetzung mit einem konkurrierenden Unternehmen. Unmittelbar vor einem Schlichtungstermin wurde er von einem Vertreter des Unternehmens gefragt: “Na haben Sie schon Angst?”. Seine Antwort lautete: “Angst? Wenn ich auf Kona, Hawaii vor dem Start der Weltmeisterschaft im Langdistanztriathlon vor dem Schwimmen im Meer treibe, habe ich ein klein wenig Respekt. Aber wegen dem bisschen Scheiße hier habe ich doch keine Angst!”
Das gefällt mir. Jeder kann seinen eigenen „Powerman Zofingen“ oder „Kona, Hawaii“ haben. Für den einen ist es vielleicht ein Marathon, für einen anderen ein 10 km Lauf.
Außerdem teile ich diese Erfahrung mit meinem Bruder Felix. Das ist etwas ganz Besonderes, dass uns immer verbinden wird. Wenn wir von der Aufregung bei der Wettkampfbesprechung, von den 18%igen Radanstiegen, den harten Bergen beim 30 km Abschlusslauf, oder schlicht von einer über achtstündigen Ausdauerbelastung sprechen, dann wissen wir beide was Sache ist. Wir haben das beide gemeinsam zum ersten Mal gemacht. Wir haben die vorherige Anspannung und die Freude über den Erfolg geteilt. Das hatte ich so nicht ansatzweise erwartet. Allein das war es wert.
Man lernt sehr viel über sich selbst: Stärken, aber auch Schwächen. Ich wüsste nicht wie man sich sonst so intensiv in die eigene Seele blicken kann.
Ich komme wieder
Ich möchte unbedingt – da bin ich mir mit Felix einig – zurückkommen und mich dieser Herausforderung erneut stellen. Irgendwann…
GPS-Daten
Lauf – 10 km
Rad – 150 km
Lauf – 30 km
Links
- Website des Powerman Zofingen
- Bericht bei Triathlon Szene
- Powerman Zofingen bei Wikipedia
- Ergebnisse 2011
Durch Zufall bin ich auf deinen Bericht gestoßen. Ich hatte Gänsehaut beim lesen und obwohl wir uns nicht kennen musste ich am Ende sogar fast eine Träne verdrücken. Ich selbst nehme am kommenden Sonntag an meinem 2. Duathlon (5 -33 – 5) teil. Weitere werden dieses Jahr noch folgen und nächstes Jahr bin ich in Zofingen, das steht nach diesem tollen Bericht fest. Danke dafür 🙂
Gruß
Wolfgang
Hallo Wolfgang,
ich habe mich sehr über Deinen Kommentar gefreut. Schön wenn man andere durch eigene Erfahrungen inspirieren kann. Ich hoffe Deine Wettkämpfe liefen/laufen gut!? Ich werde vermutlich diese und auch nächstes Jahr in Zofingen starten. Das ist für mich etwas Besonderes. Wenn Du an den Start gehst melde Dich doch. Dann können wir ein gemeinsames Zielbier nehmen. Bis dahin: Sport frei!